2. April 2019 Bald wird der Einkauf in Kartons aus Gras verpackt
Schwetzinger Zeitung vom 02.04.19
Nachhaltigkeit: Preise für Papier und Wellpappe sind stark gestiegen / Firma Packmann arbeitet an Alternativen / Bäume müssten dafür nicht gefällt werden
EPPELHEIM. Bioprodukte wo das Auge hinschaut. Vieles wird heute ökologisch und nachhaltig angebaut oder produziert – und verpackt? Das Bewusstsein für umweltfreundliche Verpackungen wächst immerhin. Genauso wie der Ärger, wenn im Supermarkt mal wieder Tomaten und Äpfel, Paprika oder Gurken nur in Plastik eingeschweißt angeboten werden. Für rund 38 Kilogramm Kunststoffmüll ist jeder von uns pro Jahr verantwortlich. Diese Zahl stagniert zwar leicht, dafür stieg die Kunststoffproduktion in Europa von 2016 bis 2017 aber um 4,4 – weltweit um 13 Millionen Tonnen an, wie auf der Statistikplattform Statista zu lesen ist. Und nicht jede Einkaufstüte landet später auch im Müll.
Auf den Grünstreifen von Grenzhöfer Weg und Straße in Eppelheim wird das mehr als deutlich. Frank Westermann und Volker Thorn, beide Geschäftsführer der Verpackungsfirma Packmann, sehen es jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit: Neben Begrenzungspfeilern liegen Einwegbecher und Kartons, in den Büschen haben sich Plastiktüten aller Couleur verfangen oder wehen über die angrenzenden Felder. Für die Natur sind die großen Stärken von Kunststoffen wie Stabilität, Beständigkeit und Langlebigkeit die größten Gefahren. Das Umweltbundesamt nennt als Wert 450 Jahre, bis sich Kunststoff zersetzt hat. Vollständig abgebaut ist er dann aber noch lange nicht, vielmehr in mikroskopisch kleine Teile zerfallen, die über Wasser und Nahrung auch vom Menschen aufgenommen werden.
„Aber Papier ist auch nicht die wahre Lösung“, sagt Thorn im Gespräch mit dieser Zeitung. Klar, es wird natürlich viel schneller von der Natur abgebaut, „aber für die Herstellung werden auch riesige Mengen an Bäumen gefällt“, erklärt er. „Trotzdem ist die Nachfrage für Papier- und Kartonverpackungen stark angestiegen“, ergänzt Westermann. Seit 2017 hätten sich die Kosten für Papier und Wellpappe um zehn bis 20 Prozent erhöht – dem Grundmaterial, aus dem in der Eppelheimer Firma Kartons geschnitzt, gestanzt und gefaltet werden.
Garantie der Reißfestigkeit
„Braune Papiertüten zum Beispiel bestehen zum Großteil aus Frischfasern“, sagt Thorn, dass nur wenig Recyclingpapier in der Herstellung eingesetzt wird. Denn je größer der Anteil an wiederverwertetem Papier sei, desto dicker müsse die Tüte werden, „zur Gewährleistung der Reißfestigkeit“, erklärt Thorn. Aufgrund der hohen Kosten habe man auf eine andere Zusammensetzung der Wellpappe schauen müssen, mehr Recyclingpapier sei darin jetzt vorhanden.
Der Blick der beiden Packmann- Chefs ist in die Zukunft gerichtet: „Immer mehr Kunden fragen nach alternativen Verpackungsmöglichkeiten“, freut sich Westermann – für sich, die kommenden Generationen und auch für seine Firma. Denn seit einem halben Jahr ist man in Eppelheim dabei, die Produktion für Verpackungen aus Gras vorzubereiten und eine Einkaufskiste aus dem Material zu fertigen. In vier Monaten soll damit begonnen werden. Momentan wird in Laboren die Zug und Druckfestigkeit sowie die Stauchwirkung beim Stapeln der Kartons untersucht. Die Kraft der Maschinen und Materialstärke müsse dementsprechend angeglichen werden, sonst kommt es zu unsauberen Kanten und schwächerer Belastbarkeit, erklärt Westermann.
Eine große Einzelhandelskette sei sehr interessiert an den alternativen Verpackungen und der Einkaufskiste aus Gras, die Verhandlungen laufen noch, verrät Westermann. Im Moment seien die Grasverpackungen noch rund 20 Prozent teurer. „Viele sind aber bereit, mehr dafür zu zahlen, für die Natur und auch für die positive Außenwirkung“, sagt Westermann. Thron spricht von zwei Jahren, Westermann von drei bis fünf, dann seien Grasverpackungen genauso teuer wie jene aus klassischem Papier. „Das Tolle ist, dass dafür keine Bäume gefällt werden müssen. Die Pflanze stirbt nicht, Gras wächst einfach nach“, sagt Thorn.
Einfache Herstellung
Die Herstellung von Papier und Pappe aus Gras ist nicht wirklich schwer. Zunächst muss es getrocknet, also zu Heu verarbeitet werden. Das wird dann schlicht geschreddert, gewaschen, gesiebt. Ideal sei eine Faserlänge von 0,8 bis 1,2 Millimeter hat die Universität Bonn herausgefunden, hänge aber auch vom Endprodukt ab. Die Agrarwissenschaftler der Hochschule sprechen von einem Überangebot an Heu, Absatz werde gesucht, erklärte Professor Ralf Pude gegenüber dem Fernsehsender 3sat. Denkbar sei zudem, den Grünschnitt von öffentlichen Flächen mit in die Produktion einfließen zu lassen.
Quasi jeder Kunde eines Onlinehändlers sei bei einem Testdurchlauf begeistert von der Grasverpackung gewesen. Gut für die Umwelt seien die und hätten zudem einen natürlichen Geruch, nach Wiese eben, wirbt Graspapier-Entwickler Uwe D’Agnone für sein Produkt. Und auch Allergiker können aufatmen: Die Allergene würden bei der Herstellung ausgewaschen.
Text und Bild: © Caspar Oesterreich, Redaktionsmitglied